Die Semitohamitistik ist im 19. Jh. vornehmlich von deutschen und österreichischen Wissenschaftlern begründet worden. Zu nennen sind hier Karl Richard Lepsius (1810-1884), Leo Reinisch (1832-1919), Friedrich Müller (1834-1898) und Carl Meinhof (1857-1944). Während Lepsius - in der Einleitung zu seiner Nubischen Grammatik - einen Zusammenhang zwischen den semitischen, hamitischen und japhetitischen (d.i. indogermanischen) Sprachfamilien sieht, konzentriert sich Müller auf den Zusammenhang der hamitischen und semitischen Sprachen, die er in einem "hamitosemitischen Sprachstamm" zusammenfaßt. Das Modell dabei ist das der Indogermanistik. In seinem Grundriß der Sprachwissenschaft, Band 3, II. Abt. Die Sprachen der mittelländischen Rasse, Wien 1887, legt er eine erste vergleichende semitohamitische Grammatik vor, in der eine Vielzahl von Sprachen berücksichtigt ist: neben verschiedenen semitischen und kuschitischen Sprachen auch das Berberische und Ägyptisch-Koptische. Das Tschadische (mit dem Hausa und Logone) hat er in einem anderen Band des Grundrisses, nämlich Band 1, II. Abth. Die Sprachen der wollhaarigen Rassen (Wien 1877) eingeschlossen. In seinem Grundriß reiht Friedrich Müller übrigens nicht eine Kurzbeschreibung einer Sprache an die andere, sondern bringt in vielen Bereichen eine wirklich vergleichende Grammatik - mit Überlegungen zur Rekonstruktion des Ursemitohamitischen. Damit wurde ein Stand erreicht, der nur durch viele neue Details, aber nicht prinzipiell verbessert werden kann. Deshalb finde ich es wenig sinnvoll, sein Heil in immer neuen Bezeichnungen der Großsprachgruppe zu suchen. Die Erfindung neuer Termini dürfte weitergehen. Ich erwarte demnächst solche Bezeichnungen wie Asiafrikanisch oder Asafrisch. Sicherlich wird aber das Problem der internen Gliederung der Riesensprachgruppe noch weiter zu diskutieren sein, wenn eine solche Diskussion überhaupt schon begonnen hat.Dieser Kongreß weckt die Hoffnung auf eine weitere Entwicklung der Semitohamitistik. Sie könnte einmal den Stand der Indogermanistik erreichen, was die Rekonstruktion und Exaktheit der Methodik anlangt. Demgegenüber gehört aber m.E. z.B. das Kongo-Kordofanische oder das Nilo-Saharanische nicht zu den Sprachgruppen, die eine solche Einheitlichkeit besitzen, daß eine Rekonstruktion nach indogermanischem Muster und damit ein Nachweis ihrer Ansetzung möglich sein wird. Dies soll uns nur ermutigen, auf unserem semitohamitistischen Wege fortzuschreiten.