Der Gitagovinda, "Der Gesang vom Kuhhirten", ist eines der schönsten Liebesgedichte der Weltliteratur. Im 12. Jahrhundert von Jayadeva im östlichen Indien verfasst, wird dieses Sanskrit-Gedicht noch heute als musikalische Opfergabe in vielen Tempeln allabendlich zu Ehren des Gottes Krishna gesungen. Es schildert in 264 metrisch komplexen, gereimten und lautmalerisch komponiert Versen die stürmische Liebe des jugendlichen Hirten Krishna zur Hirtenfrau Radha, berichtet von ihre Entzweiung, seinen Tendeleien mit anderen Frauen, Radhas verzweifelter Eifersucht, um schliesslich die glückliche Wiedervereinigung des Liebespaares zu besingen. Diese sehr konkret geschilderte Liebe eines bezaubernd schönen Gottes in Menschengestalt zu einer einfachen, aber innig liebenden Frau wird heute meist als Allegorie verstanden. Ästhetisch nachvollzogen bietet sie den heutigen Gläubigen eine Möglichkeit zur religiösen Erfahrung. Der Orientalist und Dichter Friedrich Rückert hat 1827 den Gitagovinda-Gesang kongenial aus dem Sanskrit übersetzt. Zum ersten Mal publizieren wir dieses hoch artifizielle Sprachkunstwerk zusammen mit einer der schönsten Illustrationsfolgen aus Indien. Es sind 55 in Palmblätter gravierte Szenen, die ein unbekannter Meister in der Mitte des 19. Jahrhunderts schuf. Das bislang unpublizierte Original-Manuskript befindet sich in der Sammlung des Museums Rietberg in Zürich. Die Herausgeber erläutern die zierlichen Zeichnungen und stellen sie in einen direkten Bezug zu den Gitagovina-Versen.