Gewalt ist ein Verbrechen. Der Ausbruch und die Auswirkungen von Gewalt an einem nahe stehenden Angehorigen oder Partner erschrecken meist dann, wenn es schon fast zu spat ist. In unserer Gesellschaft sind Menschen aller sozialen Schichten in den unterschiedlichsten Auspragungen von Gewalt betroffen. Man konnte fast sagen, Gewalt ist in unserem Alltag alltaglich geworden. Was steckt denn eigentlich hinter den diversen Gewaltgeschichten," die wir in den Medien prasentiert bekommen? Wo fangt sie an, diese Gewalt? Wird ein Mensch als Opfer oder Tater geboren? Gibt es so etwas wie, erlernte Gewalt? Stimmt es, dass sogar Veranderungen im Gehirn stattfinden, wenn man als Kind regelmassig mit Gewalt konfrontiert wird? Mache ich mich strafbar, wenn ich glaube, dass der Kindergartenfreund von meiner Tochter, geschlagen wird und ich behalte es fur mich? Machen Fernsehen und Onlinespiele wirklich gewalttatig? Was kann ich tatsachlich selber tun, wenn ich die Nachbarin immer wieder schreien hore, und sie dann beim Einkauf mit einem blauen Auge sehe? Soll ich denn uberhaupt etwas tun? Jetzt wollte sie sich schon drei Mal von ihrem Mann trennen, weil der sie dauernd demutigt. Immer wieder verzeiht sie ihm dann doch. Und alles beginnt von vorn. Warum zieht sie das nicht endlich durch?" Macht es denn uberhaupt Sinn, sich hier einzumischen? Und, bin ich dann nicht selber in Gefahr? Wie soll ich mich verhalten, wenn... Sprechen oder horen wir von dem Thema Gewalt im personlichen Nahbereich, sind wir in jedem Fall peinlich beruhrt. Es ist unangenehm, daruber zu sprechen. Es ist noch unangenehmer, sich damit auseinander zu setzen. Immer noch. Obschon das Thema Gewalt in der Familie in den letzen Jahren, auch in Osterreich immer wieder zu einem Thema offentlichen Interesses wird, sind bei den meisten Menschen Beruhrungsangste da. Und doch denke ich, dass jeder einzelne von uns aufgerufen ist, hier seinen Teil dazu beizutragen. Fur mich personlich heisst das, vor allem, Gewaltpravention zu optimieren. Wie gelingt das? Nach meiner jahrelangen Erfahrung und Arbeit im Opferschutzbereich stellte ich mir irgendwann die Frage: Wo setze ich am besten mit der Pravention an, um moglichst viele Menschen zu erreichen? In den vielen Gesprachen mit Opfern aller Altersgruppen stellte ich immer wieder fest, dass bewusste Eigenwahrnehmung kaum gelebt wird. Daraus resultierende Mankos in der Fahigkeit, eigene Wunsche und Gefuhle an das eigene Umfeld zu transportieren, lassen personliche Grenzen verschwimmen. Fur viele Menschen ist es schon schwierig, eigene Grenzen so zu artikulieren, dass sie von anderen, auch als solche verstanden werden. Selbst das Bewusstsein daruber: "Wo sind meine eigenen Grenzen? Wie fuhle ich mich, wenn ich angeschrien werde? Wie reagiere ich in Gewalterfahrungen?" ist oftmals mehr Grauzone, als klar definiert. Meine eigene Sensibilisierung durch meine langjahrigen Erfahrungen in der Opferschutzarbeit, hat mich hellhoriger gemacht. Die Distanzlosigkeit und Respektlosigkeit, in der viele Menschen miteinander umgehen, kann bald zu einem Nahrboden fur Gewalt werden. Dieses Handbuch zum Thema Gewalt in der Familie erklart die Gewaltspirale, in der Opfer sich befinden, wie sich Gewalt auf Psyche und Korper auswirkt und wie Sie damit umgehen konnen, wenn Sie in ihrem Alltag mit Gewalt konfrontiert werden. Sie finden hier Hilfe zur Selbsthilfe, Beispiele aus der Praxis und Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Oft werden schon die ersten Anzeichen von Gewalt negiert oder verharmlost. Das passiert in der Erziehung, in unserem Umgang miteinander und in vielen kleinen Dingen, die wir in unserem Alltag leben. Wenn es Ihnen gelingt, auf all dies acht zu geben, haben Sie schon einen grossen Schritt in ein gewaltfreies Leben getan. Vielleicht sind Sie dann am richtigen Ort" zur richtigen Zeit," und konnen mithelfen, um viele der Gewaltgeschichten nicht geschehen zu lassen."