Totalitarismus: Edition Theorie, cartea 2

Review:

”Dieses Buch ist schon im Jahr 2001 auf Englisch erschienen und erst jetzt liegt diese deutsche Übersetzung vor. Wenn man spätere Werke von Slavoj Zizek gelesen hat, wird man auf teils schon bekannte Argumentationslinien und Beispiele stoßen. Wenn wir aber diesen 15 Jahre alten Text nach der Schlüssigkeit aus heutiger Sicht beurteilen, muss man feststellen, dass Zizek um die Jahrtausendwende die kommende Entwicklung richtig eingeschätzt hat.

Slavoj Zizek beschreibt, wie im Jahr 1999 die ultralinke schwarze Aktivistin Lenora Fulani den sehr rechten Präsidentschaftskandidaten Patrick Buchanan unterstützte und man von einer Allianz der Extreme, sprach, vom ‚rechten und linken Totalitarismus‘ der gegen die ‚Vernunft der Mitte‘ antrat. Links und Rechts trafen sich in der gemeinsamen Ablehnung des Trends der globalen Ökonomie, der Ablehnung der neoliberalen Handelsverträge, und der Dominanz der weltweit operierenden Konzerne.

Der von Zizek im Jahr 2000 prognostizierte Trend scheint heute auch durch die neue Regierung in Athen bestätigt, in der eine radikal linke Partei mit einer rechtspopulistischen nationalen Partei koaliert, vereint nur durch die gemeinsame Ablehnung des Troika-Programms, das dem griechischen Volk auferlegt wurde. Ergänzend kann man noch hinzufügen, dass Marine Le Pen vom französischen Front National, der derzeit erfolgreichsten rechtspopulistischen Partei in Europa, den Wahlerfolg der linken Syriza in Griechenland begrüßte, als vermeintlichen Partner gegen die Hegemonie der EU. Es wurde inzwischen ein Merkmal der Rechtspopulisten, dass sie begannen, aus Überzeugung oder aus Taktik, für die verschwindende Arbeiterklasse zu sprechen, die von der Sozialdemokratie in Stich gelassen worden ist.

Zizek hat totalitäre Regime immer akribisch analysiert. Nie geht es um Pauschalierung, sondern immer um Differenzierung, und es sind gerade diese Differenzierungen die die besondere Monstrosität des jeweiligen Systems deutlich machen. Vom Holocaust, den Zizek *das Herz der Finsternis unserer Zivilisation* nennt, über die psychische Vernichtung von Menschen die der physischen vorausgeht, wie Zizek in diesem Buch am Beispiel des von Stalin angeordneten Prozesses gegen Bucharin darlegt, bis zur Partei der Roten Khmer, deren Ursprung und Entwicklung Zizek hier beschreibt und als *Totalitarismus in seiner unübertroffen ,reinsten‘ Form* bezeichnet.

Die Behauptung der liberaldemokratischen Parteien, Kommunismus und Faschismus wären zwei Ausprägungen derselben ‚totalitären Entartung‘, und jede radikal emanzipatorische Bewegung würde zu irgendeiner Variante totalitärer Herrschaft führen, setzt heute die geistigen Leitplanken des politischen Diskurses, innerhalb derer politisches Denken stattfinden darf. Der Totalitarismus-Vorwurf lastet auf allen radikalen politischen Projekten, er wirkt als ein Denkverbot gegenüber radikalen politischen Vorstellungen und verschafft dem vereinten liberaldemokratischen Lager (Zizek: die Wahl zwischen Cola und Pepsi) einen Gegner, den man ‚exkommunizieren‘ kann und mit dem man die eigenen Reihen wieder zu schließen versucht.

Zizek stellt fest, dass es gerade die liberale Demokratie ist, die in einen Totalitarismus abgleitet, wenn sie nicht mehr offen ist für Alternativen, sondern vorgibt, in vollem Umfang verwirklicht zu sein und sozusagen das Ende der Geschichte zu repräsentieren, also alternativlos zu sein.
*Da heute der Kapitalismus die menschliche Zivilisation fast zur Gänze global definiert und strukturiert, war und ist jedes nicht-kapitalistische Territorium eine Lücke im System des post-politischen ideologischen Universums, eine ontologische Lücke für die Ahnung anderer Möglichkeiten als den Bestehenden*. In dieser Sicht *bleibt auch vom real existierten Kommunismus, trotz aller Schrecken und dem Kollaps des Systems, eine Ahnung, dass doch etwas Kostbares verloren ging, dass mit ihm etwas untergegangen ist, was heute fehlt*.”