Cantitate/Preț
Produs

"A world of new things": Campus Historische Studien, cartea 72

Autor Anne Mariss
de Limba Germană Paperback – dec 2015
Wie wurde naturkundliches Wissen im 18.Jahrhundert im Alltag 'gemacht'? Entgegen älterer Ansätze begreift Anne Mariss in ihrer Studie naturhistorisches Forschen nicht als aufklärerisch-fortschrittsorientierten Prozess, sondern als ein zukunftsoffenes Wirken von Ideen und wissenschaftlichen Theorien einerseits, sozialen und kulturellen Praktiken andererseits. Ausgehend von der Person Johann Reinhold Forsters, der durch die zweite Weltumsegelung James Cooks (1772 - 1775) internationale Anerkennung erfuhr, an Bekanntheit jedoch hinter seinem Sohn Georg Forster zurücksteht, gelingt es ihr, die europäische Wissenslandschaft und deren globale Netzwerke aufscheinen zu lassen.
Citește tot Restrânge

Din seria Campus Historische Studien

Preț: 36352 lei

Nou

Puncte Express: 545

Preț estimativ în valută:
6958 7482$ 5799£

Carte indisponibilă temporar

Doresc să fiu notificat când acest titlu va fi disponibil:

Preluare comenzi: 021 569.72.76

Specificații

ISBN-13: 9783593504773
ISBN-10: 3593504774
Pagini: 459
Ilustrații: MIt 15 Abbildungen
Dimensiuni: 141 x 216 x 30 mm
Greutate: 0.57 kg
Editura: Campus Verlag GmbH
Seria Campus Historische Studien


Notă biografică

Anne Mariss ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Graduiertenkolleg 1662 »Religiöses Wissen« an der Universität Tübingen.

Cuprins

Danksagung Die vorliegende Arbeit ist die gekürzte und leicht überarbeitete Fassung meiner im April 2014 an der Universität Kassel eingereichten Dissertation. Maßgeblich unterstützt wurde die Anfertigung der Arbeit durch die großzügige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die ich als Mitglied des Graduiertenkollegs 1599 "Dynamiken von Raum und Geschlecht" erfahren durfte. Ein großer Dank geht auch an die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, die die Drucklegung der Arbeit finanziell möglich gemacht hat. Danken möchte ich auch den Herausgebern und Herausgeberinnen der Historischen Studien, die meine Arbeit in ihre Reihe aufgenommen haben.Wissen entsteht stets in komplexen sozialen Zusammenhängen. So hat auch die vorliegende Arbeit von den unterschiedlichen Kontexten profitiert, in denen ich mich in den letzten Jahren bewegt habe. Eine angemessene Würdigung aller am Zustandekommen dieser Arbeit beteiligten Personen erscheint unmöglich, soll aber dennoch versucht werden: Mein erster Dank gilt meiner Betreuerin Prof. Dr. Renate Dürr, die am Gelingen dieser Arbeit großen Anteil hat. Ebenso möchte ich Prof. Dr. Rebekka Habermas, Prof. Dr. Anne-Charlott Trepp sowie Dr. Silke Förschler danken, die mir als Betreuerinnen mit ihrem fachlichen Rat stets zur Seite standen. Für die anregenden Frühneuzeit-Gespräche innerhalb unserer peer-group möchte ich Dr. Mareike Böth, Sabrina Funkner und Babette Reicherdt danken. Dank geht an dieser Stelle auch an meine ehemaligen Kasseler Kolleginnen Dr. des. Jenny Bauer, Dr. des. Urania Milevski, Dr. Johanna Neu-hauser und Nele Spiering. Die Arbeit hat sehr von der kollegialen Unterstützung sowie dem interdisziplinären Austausch profitiert. Produktiv gestaltete sich auch die Zusammenarbeit mit dem Oldenburger Graduiertenkolleg 1608 "Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung". Danken möchte ich hier vor allem Lucas Haasis und Constantin Rieske. Ferner danke ich den Mitgliedern des Tübinger Kolloquiums für Neuere Geschichte Dr. Fabian Fechner, Dr. Philip Hahn, Julia Hodapp, Dr. des. Susanne Kofler, Lena Moser und Irina Pawlowsky für den stets anregenden fachlichen Austausch. Alle Übersetzungen aus dem Lateinischen stammen, soweit nicht anders gekennzeichnet, von Lothar Letsche (Tübingen). Die Übersetzungen aus dem Schwedischen stammen von Lena Moser. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Besondere Unterstützung habe ich während der redaktionellen Bearbeitung von den studentischen Hilfskräften Lucas Eigel, Marvin Gedigk, Philip Körtgen, Ulrich Stober, Sarah Schäfer, Sören Sigg, Anna Weininger und Caroline Weißbach erhalten, denen ich für ihre Hilfe danken möchte. Mein Dank gilt auch den vielen stets hilfsbereiten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der in- und ausländischen Archive und Bibliotheken, die mir einen Zugang zu den Quellen erst ermöglicht haben. Schließlich möchte ich mich bei meiner Familie und Freunden bedanken, die mich - oftmals wohl unwissentlich durch ihr Dasein - stets unterstützt haben: Julia, Maren, Silvie und Stephan sowie meinem Bruder Christoph, deren größter Verdienst wohl darin liegt, nicht über Geschichte geredet zu haben. Mein größter Dank geht an meine Mutter Angelika Mariss, ohne deren liebevolle Unterstützung und unermüdliche Hilfe diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Gewidmet ist die Arbeit meinem Vater Werner Mariss. Tübingen, im September 2015Anne Mariss 1.Einleitung Am 19. November 1772 schrieb der deutsche Naturkundler Johann Reinhold Forster (1729-1798), der sich seit etwas mehr als drei Monaten mit Captain James Cook (1728-1779) auf dessen zweiter Weltumsegelung befand, an den befreundeten Gelehrten Thomas Pennant (1726-1798) in England. In seinem Brief schwärmte Forster von einer Welt neuer Dinge, "a world of new things", die es am Kap der Guten Hoffnung zu entdecken und zu erforschen gäbe. Den Brief begleiteten einige dieser >neuen Dinge<, darunter Vogelbälge und kleinere in Spiritus eingelegte Säugetiere sowie eine Kiste mit Tierfellen für Pennants eigene naturkundliche Forschung. Das wissenschaftliche Erkunden >neuer< Welten war eines der zentralen Anliegen der Naturgeschichte im Zeitalter der Aufklärung. Immer mehr europäische Expeditionsschiffe brachen im 18. Jahrhundert zur >Entdeckung< und Erkundung fremder Weltteile auf, deren Pflanzen, Tiere und Völker von den mitreisenden Naturkundlern genauestens unter die Lupe genommen wurden. Die unauflösliche Verknüpfung zwischen den europäischen Entde-ckungsfahrten und der aufklärerischen Naturgeschichte wird besonders anschaulich auf dem Frontispiz des vierbändigen Thesaurus des deutsch-niederländischen Apothekers und Naturaliensammlers Albert Seba (1655-1733). Im Vordergrund des Frontispiz sind Putten bei >typischen< naturkundlichen Praktiken zu beobachten: Sie sammeln, beobachten und klassifizieren Dinge aus der Natur wie Korallen, Muscheln, kleinere Säugetiere, Pflanzen und Fossilien. Die im Gras liegenden Bücher und Illustrationen deuten darauf hin, dass die Knaben die Naturalien mit Beschreibungen und Darstellungen abgleichen. Eine der Putten hält ein Blatt mit Pflanzenabbildungen in der Hand und studiert es eingehend. Die anderen beiden Knaben scheinen angeregt über die seltsam geformten Korallen zu diskutieren. Wieder ein anderer hält ein Buch in der Hand, ohne es allerdings aufgeschlagen vor sich liegen zu haben. In den Tätigkeiten der Putten treten deutlich die Aufgaben von Naturforschung zu Tage. Was auf dem Kupferstich durch die Darstellung der Putten ein wenig drollig wirkt, gehörte zu den alltäglichen Aufgaben der Naturkundler im Zeitalter der Aufklärung. Im Bildmittelgrund wird eine neue Darstellungsebene eröffnet. Dort sind auf der linken Seite typisierte Repräsentanten fremder Völker, auf der rechten Seite allegorische Darstellungen abendländischer Tugenden zu sehen. Schaut man sich die Idealtypen genauer an, so lässt sich erkennen, dass sie die vier damals bekannten Teile der Erde repräsentieren, das heißt Afrika, Asien und Amerika sowie Europa mit einem gekrönten Haupt. Die Allegorie der Europa steht etwas abseits der anderen Weltteile und räumlich näher an der allegorischen Personengruppe auf der rechten Seite, was auf ihre Sonderstellung unter den Kontinenten verweist. Sie trägt das Füllhorn mit den exotischen Schätzen der Natur in Form von Früchten und Pflanzen. Mit der weiblichen Allegorie der Naturkunde (Physica) diskutiert die Betriebsamkeit (Industria) "die verschiedenartigen bewunderungswürdigen Werke der Natur, welche sie in den drei Reichen der Tiere, Pflanzen und Steine an den Küsten des Erdkreises mit Hilfe von Handel und Schifffahrt entdeckt hat", wie der Bildunterschrift zu entnehmen ist. Industria ist hier erkennbar am Attribut des Bienenstocks, der auf die Nützlichkeit der Natur und ihrer Erforschung anspielt. Kronos wird als bärtiger Greis mit Sichel dargestellt und symbolisiert den zeitlichen Fortschritt Europas gegenüber anderen Teilen der Welt. Die zweite weibliche Allegorie könnte aufgrund des Attributs des Ölzweigs Pax, den Frieden, darstellen. Überstrahlt wird die Personengruppe auf der rechten Seite von der Sonne als Symbol für die buchstäbliche >Er-leuchtung<, die mit dem Zusammenspiel von Betriebsamkeit, Frieden und Fortschritt einhergeht. Das Licht in die Welt zu bringen, versinnbildlicht hier das aufklärerische Bestreben, über die Erforschung der Natur zu einer >wahren< Erkenntnis der Welt zu gelangen, während die Allegorien den wissenschaftlichen und ökonomischen Fortschritt Europas verkörpern. Im Bildhintergrund sind der Ozean und Segelschiffe zu erkennen, die auf die europäische Expansion anspielen und das Bildprogramm neben den Erdteilallegorien in einem globalen Kontext verorten. Auch die Palme sowie die Details im Vordergrund, die exotischen Tiere und Pflanzen, situieren das Geschehen in einer nicht weiter spezifizierten Fremde. Sowohl die Verräumlichung der Szenerie als auch die vier Weltteile verweisen auf die globale Dimension von Naturforschung in der Frühen Neuzeit. Das hier beschriebene Bildprogramm führt - wenngleich in einer eurozentrischen und idealisierten Art und Weise - zum Kern der vorliegenden Arbeit. Die zentrale Fragstellung lautet, wie Naturgeschichte in spezifischen historischen Settings >gemacht< wurde und welche sozialen und kulturellen Praktiken mit der Produktion naturhistorischen Wissens verknüpft waren. Der Fokus liegt dabei auf den globalen bzw. translokalen Dimensionen der Naturgeschichte. Diese sollen anhand eines bestimmten historischen Ak-teurs, seiner Praktiken und Handlungen, sowie anhand der sich aus seinem Wirken aufscheinenden Wissensräume untersucht werden. Als eines der umfassendsten und weitreichendsten Wissensgebiete der Aufklärung ist die Naturgeschichte nicht nur als wissenschaftliches System, sondern als breit gefächertes sozio-kulturelles Phänomen zu erfassen, so die zentrale These der Arbeit. Mehr noch als andere Wissensgebiete zeichnete sich die Naturgeschichte durch ihre spezifischen sozialen und kulturellen Praktiken aus, die allein durch eine ideen- oder mentalitätsgeschichtliche Herangehensweise nicht zu greifen sind. Die frühneuzeitliche Naturgeschichte ist deshalb als Konzept und Praxis gleichermaßen zu begreifen und zu erforschen. Dies gilt insofern umso mehr, als Wissen und Wissenschaft im 18. Jahrhundert, dem >Zeitalter der Geselligkeit<, erst durch soziale Praktiken Gültigkeit er-hielten. Der gegenseitige Austausch von Wissen, sei es in materieller oder immaterieller Form, über die unterschiedlichen Kommunikationswege wie persönliches Gespräch, Brief oder Zeitung war eines der Kernanliegen der aufgeklärten Wissensgesellschaft. Seit Längerem schon ist es ein Gemeinplatz der Wissen(schaft)s-geschichte, dass Wissen innerhalb von Praxisgemeinschaften entsteht und als ein Produkt kollektiver Aktivitäten wiederum von diesen geprägt ist. So interessiert sich die wissenshistorische Forschung nicht mehr vordergründig für die >revolutionären< Erfindungen und Entdeckungen sowie das >Wissenswerte<, sondern für die alltäglichen Prozesse, durch die Wissen produziert, angeeignet, aber auch verworfen wird. Vor diesem Hintergrund liegt das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit auf tagtäglichen Praktiken der Naturgeschichte im 18. Jahrhundert. Wissenschaft wird dabei in Anlehnung als eine kulturelle Praxis begriffen, das heißt als ein grundsätzlich "offenes System von Handlungsoptionen", das bestimmte Repertoires bereithält, auf die Menschen in ihrem Handeln zurückgreifen können. Zu dem komplexen sozialen Gefüge von Handlungsträgern zählen neben den historischen Akteuren auch Tiere und materielle Artefakte wie Dinge, Texte und Bilder. Ihr wechselseitiges Zusammenspiel wird über soziale und kulturelle Reglementierungen legitimiert, die keine universale Gültigkeit besitzen, sondern in bestimmten Kontexten wirken. Praktiken unterliegen damit historischem Wandel und verändern sich durch das Zusammenwirken von Menschen und ihren Ko-Akteuren. Die historisch-praxeologische Herangehensweise ersetzt dabei keinesfalls den Rückgriff auf Ideen und wissenschaftliche Theorien. Vielmehr gilt es, das wechselseitige Wirken von Praktiken, Diskursen, Texten und Theorien sowie das Spannungsfeld zwischen der immateriellen und materiellen Seite von Wissenschaft auszuloten. Mit Hilfe dieses methodischen Ansatzes, der die Entstehung von Wissen in ihrer soziokulturellen, räumlichen und materiellen Bedingtheit und Prozessualität in den Blick nimmt, soll die Naturgeschichte in ihrer Wirkmächtigkeit und Historizität analysiert werden. Naturhistorisches Forschen im 18. Jahrhundert wird in der vorliegenden Arbeit nicht als ein geradliniger Prozess einer zunehmenden Spezialisierung und Professionalisierung begriffen, sondern als eine prinzipiell zukunftsoffene Konstellation von Akteuren und ihren Praktiken, Räumen und materiellen Elementen. Obgleich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein Prozess der Ausdifferenzierung innerhalb der integrativen Naturgeschichte einsetzte, waren disziplinäre Grenzen zwischen den einzelnen Fachgebieten der Naturgeschichte nur schwach ausgebildet. Im Vordergrund der Analyse stehen die globalen bzw. translokalen Dimensionen naturhistorischer Praktiken, die in zwei für die Naturgeschichte der Aufklärung bedeutenden, aber auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinenden Wissensräumen, dem Expeditionsschiff und der Universität, analysiert werden. Während ein thematisch-disziplinärer Zu-gang die Gefahr birgt, Prozesse oder Entwicklungen der Naturgeschichte im Sinne einer Zielgerichtetheit zu suggerieren und eine (noch) nicht vorhandene disziplinäre Trennung auf das 18. Jahrhundert zu projizieren, ermöglicht es eine verräumlichte Perspektive, naturgeschichtliche Praktiken in ihrer historischen Kontingenz und Eigenartigkeit zu analysieren. Dabei geht es keineswegs um eine >Rehabilitierung< der Naturgeschichte mit einem gleichsam apologetischen Anspruch, sondern um ihre Historisierung als eigenständiges Wissensfeld der Aufklärung. Ebensowenig leistet die hier vorliegende Untersuchung eine raumtheoretische Analyse, sondern konstruiert Wissensräume als strukturelle Untersuchungsgrößen. Unter dem Begriff >Wissensraum< verstehe ich in Anlehnung an Martina Löws Raumsoziologie eine "relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen (Lebewesen) an Orten." Dies impliziert nicht nur ein relationales, sondern auch ein prozessuales Verständnis von Raumkonstituierung, da Menschen, Lebewesen und Dinge durch ihr gemeinsames Zusammenspiel Räume erst entstehen lassen. Räume formieren sich in Beziehung zu anderen Räumen, mit denen sie sich überlappen oder berühren. Räume sind nicht >einfach da<, sondern werden erst durch das Handeln von Menschen sowie den damit verknüpften kulturellen Sinngebungen und Positionierungen von Dingen sozial und kulturell konstruiert. Ein relationales Raumverständnis ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem volunta-ristischen Verständnis von Räumlichkeit, das physische Gegebenheiten völlig ausblendet. Bestimmte geographisch-physische Konstituenten sind in den Prozess der Verräumlichung mit eingebunden. Ein sozialer Raum, so die Annahme, besteht damit immer aus "materielle[n] und symbolische[n] Komponenten." Eine weitere raumtheoretische Annahme besteht darin, dass Räume bzw. räumliche Strukturen nicht nur durch das Handeln von Akteuren erschaffen werden, sondern ihrerseits wiederum auf das Handeln von Menschen zurückwirken. Bezogen auf die in dieser Arbeit beleuchteten Wissensräume bedeutet dies weder, dass Wissen a priori bestimmten Räumen schlichtweg zugewiesen wird, noch, dass Räume Wissen >machen<. Vielmehr ist Wissen "in seiner Formierung selbst an Prozesse der Verräumlichung gebunden" , während geographische und räumliche Gegebenheiten durch spezifische Wissensbestände und die mit ihnen verknüpften Praktiken strukturiert werden. Die Entstehung von Wissensräumen ist damit als eine komplexe Verschränkung von Akteuren, ihren Handlungen und Praktiken, Lebewesen, Objekten, Texten und Bildern zu verstehen. So hat die im Anschluss an den spatial turn stattfindende historiographische Re-Lokalisierung von Wissen in seinen räumlichen Entstehungskontexten dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Fluidität und Beweglichkeit von Wissen zu stärken. Wissen verändert sich durch die Bewegung von Menschen, aber auch durch die Zirkulation von Objekten, Texten und Bildern, die das Wissen transportieren. Wissen befindet sich selbst gewissermaßen >auf Reisen< und oszilliert durch seinen räumlichen Transfer sowie die damit einhergehende >Übersetzung< in andere Wissenskontexte zwischen den Polen von Verstetigung und Veränderung. Insbesondere Verräumlichungen von Konstellationen, deren spezifische Wissensräumlichkeit nicht sofort ersichtlich ist, verweisen auf den historisch wandelbaren, konstruktiven Charakter von Wissensräumen. Dazu gehören in der Frühen Neuzeit etwa Wissensräume wie das Haus oder der Hof, aber auch kuriose Überschneidungen von Kaffeehaus und Kunstkammer, wie im Falle des Chelsea Knackatory. Ebenso können zu diesen >uneigentlichen< Wissensräumen auch Räume gezählt werden, die an keinen konkreten Ort gekoppelt oder translokal sind wie beispielsweise Herrschafts- oder Kommunikationsräume. Folgt man Johann Reinhold Forsters Leben als Gelehrter und Naturkundler bzw. den mit seinem Wirken in Verbindung stehenden Quellen, so gewinnt man Einblicke in zentrale Wissensräume der Naturgeschichte im Zeitalter der Aufklärung: Das ist zum einen der >glokale< Raum der Weltreise und des Schiffs, zum anderen die Universität als ein Ort von Wissenschaft in der Aufklärung. Eingebettet sind diese zwei Wissensräume schließlich in die frühneuzeitliche Gelehrtenrepublik als transnationalen Kommunika-tions- und Tauschraum. Über Forsters Teilnahme an der zweiten Weltreise Captain Cooks von 1772 bis 1775 werden naturhistorische Praktiken auf einer >glokalen< Ebene analysiert. Mit Hilfe des Schiffs als Untersuchungsraum gelingt es im Sinne einer kulturhistorisch ausgerichteten, akteurszentrierten Globalgeschichte, die makrohistorische Ebene der Welt bzw. des Weltmeeres mit der mikrohistorischen Perspektive des Schiffs zu verknüpfen und die Spannung zwischen der Lokalität und der Globalität der naturhistorischen Wissensproduktion methodisch aufzunehmen. Diese Perspektive trägt der Forderung der neueren Globalgeschichte Rechnung, umfassende soziale und kulturelle Prozesse zu analysieren, und dabei weder die historischen Akteure mit ihren konkreten Erfahrungen außer Acht zu lassen, noch die Komplexität spezifischer Kontexte zu vereinfachen. Mit Jürgen Osterhammel ließe sich formulieren, dass eine so verstandene Globalgeschichte "eine Geschichte des Wechselspiels von Globalisierung und Lokalisierung" ist. Der verräumlichte Blick auf die Dynamiken, die aus der unauflöslichen Verschränkung von Land bzw. Insel, Meer und Schiff hervorgehen, ermöglicht neue Perspektiven auf die Bedingungen, Möglichkeiten und Begrenzungen naturhistorischer Wissensproduktion auf Weltreisen. Nicht nur die räumlichen Bedingungen an Bord des Schiffes selbst, sondern auch die Bewegung des Schiffes im Raum, von Insel zu Insel, formten das auf Reisen generierte Wissen. So steht das Schiff als ein sich bewegender Raum, ein space in motion oder in transit, stets in Beziehung zu dem von ihm befahrenen Meer und den verschiedenen Umwelten wie der eisigen Antarktis, den litoralen Zonen sowie den angelaufenen Inseln und Hafenstädten. Schiffe waren nicht nur - um mit dem französischen Soziologen und Philosophen Bruno Latour zu sprechen - "tracer", die die Formen der >entdeckten< Länder verzeichneten, oder ein Transportinstrument. Das Schiff strukturierte durch seine Räumlichkeit und die vollzogene Bewegung im Raum gleichermaßen die Wissensproduktion an Bord. Ebenso wirkten soziale Gegebenheiten an Bord auf die Produktion naturhistorischen Wissens während der Reise. Fruchtbarer als Michel Foucaults Konzept des Schiffes als "Ort ohne Ort" und "Heterotopie schlechthin" haben sich konzeptuelle Überlegun-gen zum Schiff als Sozialraum und "living, micro-cultural, micro-political system in motion" vor allem innerhalb der transatlantischen Geschichte erwiesen. Vor diesem Hintergrund begreife ich das Schiff als einen mobilen und durchlässigen Wissensraum, in dem Wissen in Form von Text und Bild gespeichert, transportiert und transferiert wurde und der gleichzeitig durch seine räumliche Bedingtheit auf die Produktion von Wissen einwirkte. Die räumliche Perspektive ermöglicht es einerseits, das Schiff als sozialen Mikrokosmos und >Kontaktzone< verschiedener historischer Akteure und Gruppierungen - von den Matrosen, Seekadetten und Offizieren bis hin zu den zivilen Wissenschaftlern sowie den Insulanern - in den Blick zu nehmen und damit die soziale und kulturelle Komponente des auf Reisen generierten Wissens zu analysieren. Andererseits bietet die Fokussierung des sich bewegenden Schiffsraumes die Möglichkeit, auf die höchst problematische Seite von wissensproduzierenden Verfahren und deren materieller Bedingtheit auf Weltreisen abzuheben. Der zweite von mir untersuchte Wissensraum ist die frühneuzeitliche Universität als ein Ort naturhistorischer Wissensproduktion in der Aufklä-rung (Kap. 5). Am Beispiel der 1694 gegründeten Universität Halle, an der Forster seit 1780 als Professor für Naturgeschichte lehrte, wird exploriert, inwiefern die Universität als naturhistorischer Wissensraum der Aufklärung zu begreifen ist. Gefragt wird dabei nach der Bedeutung von Naturforschung für die Herausbildung neuartiger Forschungsstrukturen an den sogenannten Reformuniversitäten sowie nach der Rolle, die verräumlichte Wissensordnungen und Gelehrtennetzwerke dabei spielten. Auch die Universität war - so die leitende Hypothese - ein Ort, an dem sich die translokalen und globalen Dimensionen der Naturgeschichte abzeichneten. Die Erforschung von Welten >neuer< Dinge ging nicht nur über die buchstäbliche Erfahrung der Welt auf dem Schiff vonstatten, sondern auch über die empirische Erfahrung am Objekt im Naturalienkabinett, botanischen Garten oder Gelehrtenhaushalt. Als aktives Mitglied der Gelehrtenrepublik bietet Johann Reinhold Forster mehrere Anhaltspunkte für die Historisierung der Praktiken und Funktionslogiken dieses polyvalenten Kommunikations- und Wissens-raums. Die Res publica litteraria begreife ich dabei als eine schriftlich-virtuelle Konstellation von miteinander verwobenen Menschen, Objekten, Texten und Ideen. Erst über die vielfältigen sozialen und wissenschaftlichen Praktiken, vor allem das Kommunizieren und Tauschen von Dingen, den gegenseitigen Gelehrtenbesuch wie auch das gesellige Gespräch, konstituierte sich die Gelehrtenrepublik als spezifisch historischer Wissensraum, der sich mit anderen, mitunter >kleineren< Wissensräumen wie etwa dem gelehrten Haushalt, dem Salon, aber eben auch der Universität oder dem Schiff als einem mobilen Wissensraum überlappte. Die Gelehrtenrepublik präsentiert sich dabei als ein relationaler Wissensraum schlechthin, da er sich "im Spannungsfeld von imaginierten Räumen einerseits und historisch feststellbaren, vielleicht etwas realer gearteter Raumstrukturen" bewegt. Die Fokussierung auf Wissensräume bietet einen der möglichen Zugänge zur netzwerkartigen Naturgeschichte im 18. Jahrhundert, wobei die vorliegende Arbeit keinesfalls den Anspruch erhebt, vollständig zu erfassen, welche Bedeutung dem Begriff der >Natur< und ihrer Erforschung in den verschiedenen historischen Settings des 18. Jahrhunderts insgesamt beige-messen wurde. Auch ist der Zuschnitt auf die Wissensräume der Natur-geschichte in der vorliegenden Arbeit keinesfalls repräsentativ, da er sich aus Forsters naturhistorischen Aktivitäten ergibt, und beleuchtet allenfalls einige ausgewählte Facetten von dem, was Naturforschung im 18. Jahrhundert bedeuten kann. Andere Wissensräume der Naturgeschichte wie der Salon, das Kaffeehaus, das Haus oder der Hof sowie die damit verknüpften spezi-fischen Praktiken und Wissensdinge müssen deshalb ausgespart bleiben. Die vorgenommene Separierung der Räume dient dabei in erster Linie heuris-tischen Zwecken: Sie sind nicht als Entitäten zu verstehen, sondern vielmehr als relationale Gebilde, die sich überlappen, mit anderen Wissensräumen verschränken und über die in ihnen interagierenden Personen, Objekte und Texte verbunden sind. Die Frage nach der Bedeutung von Natur und ihrer Erforschung in ver-gangenen Epochen und spezifischen Wissensräumen sowie den handelnden Akteuren und Akteurinnen ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Geistes- und Kulturwissenschaften gerückt. Dieser Prozess hat erstaunlich spät Eingang in die Wissenschaftsgeschichte gefunden, einge-denk des Umstandes, dass >Natur< als Erklärungsmuster im Laufe der Frühen Neuzeit als zentraler diskursiver Bezugspunkt in den verschiedensten Bereichen der frühneuzeitlichen Gesellschaft eine hohe Wirkmacht entfaltete. Ebenso unterliegen uns vertraut erscheinende Vorstellungen von Wissenschaft bzw. Wissenschaftlichkeit seit geraumer Zeit einer historiogra-phischen Revision, in deren Folge die Produktion von Wissen in je spezifischen Kontexten untersucht wird. Das intensive Interesse an der Historisierung von Natur und Naturwissenschaft ist nicht zuletzt einer Tendenz geschuldet, fortschrittszentrierte und teleologische Narrative aufzubrechen. Anstatt Wissen(schaft) als mehr oder weniger modern einzustufen, stehen die nebeneinander existierenden Modi der Wissensgenerierung im Fokus des Erkenntnisinteresses. Das 18. Jahrhundert zeitigte eine geradezu enthusiastische Begeisterung für die Naturkunde, die für gehobene Gesellschaftsschichten zu einer beliebten Beschäftigung wurde. Auf öffentlichen Spektakeln führte man neugierigen Zuschauern die Wirkung der wundersamen Elektrizität vor, in Studierzimmern häuften sich Sammlungen von Naturalien und in eifriger Korrespondenz wurden Diskussionen über die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen geführt; der Besuch von Naturalienkabinetten wurde ebenso zur Mode wie das Fangen von Insekten auf Streifzügen durch die heimische Natur oder die Suche nach Fossilien in Steinbrüchen und den Bergen; Akademien und Gesellschaften, die sich der Erforschung aller möglichen Naturphänomene widmeten, schossen seit Beginn des 18. Jahrhunderts wie Pilze aus dem Boden. Den Rahmen dieser frühneuzeitlichen >Natur-Euphorie< oder >Natur-Faszination< bildete bis weit in das 19. Jahrhundert die Naturgeschichte. Namensgebend war die antike Naturalis historia (um 77 n. Chr.) des antiken Gelehrten Gajus Plinius Secundus (Plinius der Ältere, ca. 23-79 n. Chr.), der in seinem kompilatorischen Werk alles zu seiner Zeit bekannte Wissen über die Natur zusammengetragen hatte. Der heterogene Inhalt des klassischen Werks verdeutlicht, dass die Naturgeschichte alles umfasste, was im weitesten Sinne mit der Natur in Verbindung gebracht werden konnte. Der Terminus >Naturgeschichte< ist deshalb nicht als historischer Ablauf, sondern als Erzählung oder Bericht von der Natur in all ihren Facetten und Nutzungsmöglichkeiten zu begreifen. Die Anfänge der neuzeitlichen Naturgeschichte liegen im 15. Jahrhun-dert. Der Wissenschaftshistoriker Brian Ogilvie spricht zu Recht davon, die Renaissance habe die Naturgeschichte gewissermaßen erst >erfunden<. In der Tat erreichte das wissenschaftliche Interesse an der Natur und ihrer Erkundung zu Beginn der Frühen Neuzeit eine neue Dimension. Als "Verzeichniß" und "Beschreibung der natürlichen oder zu den drey Naturreichen gehörigen Körper" umfasste die Naturgeschichte die Erforschung von Tieren, Pflanzen und Steinen sowie seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auch den Bereich der Menschheitsgeschichte. Im Gegensatz zum >moderneren< Begriff Naturwissenschaft verweist der zeitgenössische Terminus Natur-geschichte sowohl auf die spezifischen naturhistorischen Praktiken der Beobachtung, Beschreibung und Ordnung der einzelnen Phänomene aller drei Naturreiche als auch auf die unauflösliche Verquickung von Natur- und Gotteserkenntnis von Naturforschung im 18. Jahrhundert. Lange Zeit wurde die Naturgeschichte als Vorläuferin der modernen Lebenswissenschaften angesehen. Seit dem 19. Jahrhundert beschäftigte sich vor allem die Biologiegeschichte mit der Geschichte der Naturgeschichte, um der eigenen, noch jungen Disziplin eine Tradition zu verleihen. Victor Carus' Geschichte der Zoologie (1872), Julius von Sachs' Geschichte der Botanik (1875) und Karl Alfred von Zittels Geschichte der Geologie und Paläontologie (1899) präsentierten die Herausbildung der jeweiligen Disziplin als linearen Wissenszuwachs und Kulminationspunkt wissenschaftlichen Fortschritts. Aus der Retrospektive wurden damit einheitliche Themengebiete rekonstruiert, die es im 18. Jahrhundert in dieser Form noch