Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit räumlich gekoppelten Standortentscheidungen in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen am Beispiel der deutschen Automobilzulieferindustrie. Unter räumlicher Kopplung wird dabei die zum Leistungsaustausch erforderliche geografische Nähe zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stufen einer Wertschöpfungskette verstanden. Von räumlicher Kopplung wird somit gesprochen, wenn die Verlagerung der Produktion eines Automobilherstellers auch eine Verlagerung von Zulieferbetrieben bewirkt und dieses mit der Ansiedlung der Zulieferer in geografischer Nähe des HersteIlerwerkes einhergeht.Die Arbeit identifiziert die relevanten Einflussfaktoren räumlich gekoppelter Standortentscheidungen in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen der Automobilindustrie, entwickelt Handlungsoptionen zum Umgang mit räumlicher Kopplung rur geografisch gebundene Zulieferer und liefert einen Ansatz zur systematischen Bewertung der Vorteilhaftigkeit räumlich gekoppelter Standortentscheidungen aus Perspektive der Automobilzulieferer. Zur Identifikation der Kopplungsfaktoren wurde ein umfassender Untersuchungsrahmen unter Rückgriff auf Erklärungsansätze des Supply Chain Managements, der Global Value Chain-Analyse sowie der Standorttheorie entworfen und mittels detaillierter Fallstudienuntersuchungen am Beispiel der Automobilzulieferindustrie überprüft.Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass ein integrativer Ansatz unter Verwendung unterschiedlicher Erklärungsbeiträge erforderlich ist, um die relevanten Einflussfaktoren der Zulieferer-Abnehmer-Kopplung bei Standortentscheidungen zu erfassen und räumliche Kopplung umfassend zu beschreiben. Es lassen sich vier Typen von Kopplungsfaktoren identifizieren, die sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf die erforderliche geografische Nähe zwischen Zulieferer-und Abnehmerstandort sowie hinsichtlich der Beeinflussbarkeit durch den Zulieferer unterscheiden. Es wurde herausgearbeitet, dass die Möglichkeiten zur Beeinflussung der räumlichen Kopplung und Erweiterung des Ansiedlungsradius um den Abnehmerstandort aus Zuliefererperspektive sehr beschränkt sind. Geografisch gebundene Zulieferer haben damit kaum Möglichkeiten, die räumliche Kopplung zu umgehen. Es konnten jedoch Ansätze aufgezeigt werden, um die Positionierung des Zulieferers beim Hersteller zu verbessern und eine geringrugig erhöhte Standortflexibilität zu erreichen. Darüber hinaus wurden Optionen zur Umgehung der räumlichen Kopplung vorgestellt, die allerdings Änderungen an den derzeitigen Produkt-und Fertigungskonzepten der Zulieferer erfordern. Zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit der räumlichen Kopplung wurde die Beurteilung der Standortentscheidung geografisch gebundener Zulieferer um die relevante Kunden-und Marktperspektive erweitert. Im Ergebnis liegt ein systematischer Bewertungsansatz vor, der explizit über den unmittelbaren Hersteller-Auftrag hinausgeht und mögliche Folge-und Zusatzaufträge am Standort sowie das weitergehende Auftragspotenzial des Fokuskunden und im Zietmarkt berücksichtigt. Geografisch gebundenen Zulieferern wird damit eine differenzierte Standortentscheidung ermöglicht.Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur deskriptiven Standorttheorie leistet, indem die räumliche Kopplung bei Standortentscheidungen systematisch untersucht und unterschiedliche Betrachtungsperspektiven zu einem integrativen Erklärungsansatz verknüpft wurden. Darauf basierend konnten die relevanten Einflussfaktoren der Zulieferer-Abnehmer-Kopplung bei Standortentscheidungen identifiziert werden. Zudem wurde eine Klassifizierung der Einflussfaktoren räumlicher Kopplung entwickelt, die eine Typisierung der identifizierten Kopplungsfaktoren ennöglicht. Darüber hinaus wurden die Wirkungszusammenhänge zwischen den Kopplungsfaktoren dargestellt und die Beiträge unterschiedlicher Erklärungsansätze zur Beschreibung der räumlichen Kopplung herausgearbeitet. Das Themengebiet der räumlichen Kopplung wurde damit insgesamt einer differenzierten Betrachtung zugänglich gemacht. Zusätzlich wurde die Planungssituation von Standortentscheidungen geografisch gebundener Zulieferer durch die Entwicklung eines systematischen Ansatzes zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit räumlicher Kopplung verbessert und damit ein Beitrag zur nonnativen Standorttheorie erhracht.